Autorin sein in der akuellen Zeit

2021 war kein gutes Jahr für mich, 2022 hat sich bisher nicht unbedingt allzu große Mühe gegeben, das zu ändern. Das liegt nicht nur an Corona, auch wenn natürlich das ganze Chaos nicht dazu beigetragen hat, die Zeit besser zu machen. Ebenso wie der Krieg in der Ukraine und der ganze Mist, den man so in den Nachrichten liest. Dazu kamen aber auch Tiefschläge im persönlichen Leben, über die ich im Rahmen dieses Blogs nicht unbedingt sprechen will.

Und während ich in diesem komischen Pausenzustand, den der Lockdown hervorgerufen hat, versuchte, mich nicht zu sehr davon berühren zu lassen, hatte ich natürlich auch Zeit zum Nachdenken.

„Warum bist du Autor*in geworden?“, ist vermutlich eine der häufigsten Fragen, die sich Angehörige der schreibenden Zunft anhören müssen. Und eine, auf die man häufig nur schwer eine Antwort geben kann. „Weil ich nicht anders konnte“, ist nicht unbedingt die Antwort, auf die das Gegenüber wartet. Dabei ist das häufig die Wahrheit. Die Geschichten sind da und wollen erzählt werden und man folgt ihnen.

Natürlich trifft das alles auch auf mich zu. Nicht Autorin zu sein, das geht nicht! Ich könnte aufhören, zu veröffentlichen, sicher, aber schreiben würde ich weiterhin.

Aber ich kann es nicht mehr so sorglos tun, wie ich es einmal getan habe. Nicht, dass ich unbedingt eine Aussage in die Geschichten reinpfropfe, die da nicht reingehört. Aber meine Ideen drehen sich hauptsächlich eher darum, wie man es in der Welt besser machen könnte. Ich betreibe damit Eskapismus, ja. Denn ich muss leider einsehen, dass ich weder die Macht, noch die Kraft habe, die Welt zu verändern. Das ist eine niederschmetternde Erkenntnis, denn einst wollte ich es anders.

Die Sache mit den Triggerwarnungen

Ich gebe zu, bis vor einiger Zeit habe ich Triggerwarnungen bei Büchern als komplett unnötig empfunden. Bei Filmen konnte ich sie, aufgrund der Schnelligkeit des Mediums, eher nachvollziehen. Bei Büchern passierten Situationen in meinen Augen nicht plötzlich genug, um sich nicht vorher rausnehmen zu können.

Und dann hatte ich selbst eine Erfahrung, die mich umdenken ließ. Ich kann nicht behaupten, ich wäre getriggert worden, denn das wäre das Leiden jener, die tatsächlich „Trigger“ haben, ungerechtfertigt kleingeredet. Aber ich habe festgestellt, dass eine Situation, in der ich mich befand, völlig okay schien, bis ich nach der besorgten Nachfrage eines Außenstehenden Tage später festgestellt habe, dass ich überhaupt nicht okay bin. Und wenn ich mir vorstelle, dass wegen eines Buches das auch anderen so passieren kann, dann fühle ich mich als Autorin nicht wohl damit, jene, die meine Bücher lesen, damit allein zu lassen.

Nun braucht es auch hier, wie bei jedem Thema das rechte Maß. Und darüber sollten wir uns in meinen Augen eher unterhalten, als darüber, ob man überhaupt Triggerwarnungen aussprechen sollte.

Wer bei einem Krimi eine Triggerwarnung reinsetzt, weil es um das Thema „Mord“ geht, erntet vermutlich zurecht den Titel des Captain Obvious. Genauso sollte man bei einem erkennbaren Horror-Splatter nicht unbedingt „Gewalt“ als Warnung angeben.

Wie ist das aber, wenn in einem scheinbaren Wohlfühlroman plötzlich eine Figur mit z.B. einer Essstörung auftaucht und jene Person, die das Buch liest und vielleicht eine entsprechende Vorgeschichte hat, sich plötzlich mit ihren dunkelsten Erinnerungen allein gelassen sieht? Kann man recht einfach vermeiden, wenn man irgendwo das „CN Essstörung“ unterbringt.

Aber wie ist das denn, wenn jene, die die Geschichte lesen sollen, bereits durch die Content Notes gespoilert werden?

Nun, Content Notes verraten die eigentliche Handlung nicht. Wenn ich einen Krimi lese, weiß ich im Regelfall im Vorhinein schon, dass es einen Mord geben wird. Ich weiß nicht, durch wen und ich weiß nicht warum und deshalb lese ich das Buch.

Und genauso, nur eben andersherum, funktionieren Content Notes. Ich weiß vielleicht, dass ich über ein bestimmtes Thema (jetzt) nichts lesen will. Dann schaue ich in die Content Notes und stelle entweder fest, dass das Buch für mich jetzt gerade okay ist oder eben nicht. Die eigene Stabilität ist ja auch nicht jeden Tag gleich.

Das gilt ja bei weitem nicht „nur“ für Menschen, die Traumata mit sich herumschleppen. Aber ich habe zum Beispiel auch schon mehrfach mitbekommen, dass durchaus auch Personen, die sonst hartgesotten sind, nicht mit Gewalt gegen Kinder klarkommen, wenn sie selbst frisch Kinder haben. Völlig okay, dann liest man das Buch eben vielleicht später.

Ich werde in Zukunft meinen Büchern den Link vorwegstellen, mit dem man meine Content Notes finden kann. Das nimmt niemandem etwas weg, verhindert aber, dass ich jenen, die eigentlich Spaß mit meinen Geschichten haben wollten, den Tag versaue.

Nachruf Volker Kunkel

Volker Kunkel 1950 – 2021

Manche Beiträge möchte man auf jeden Fall schreiben und zugleich überhaupt nicht. Das ist einer davon.

In der Nacht vom 9. auf den 10. April 2021 ist Volker Kunkel verstorben. Völlig unerwartet für alle hat ihn ein Herzinfarkt aus unserer Mitte gerissen.

Viele Menschen in der Mittelalter- und Kampfkunstszene kannten ihn. Egal, ob als Adresse für hochwertige Waffen oder als Adresse für ebenso hochwertige Kampfkunstausbildung mit oder ohne Waffen, das von ihm gegründete West-Coast-Institut hatte einen hervorragenden Ruf.

Der plötzliche Tod Volkers hat viele Menschen schwer erschüttert.

Nicht nur, weil mit ihm jemand ging, der mit Fug und Recht den Titel eines Kampfkunstmeisters verdient hat und damit einer der ganz Großen der Szene. Sein beeindruckendes Lebenswerk und über 50 Jahre Kampfkunsterfahrung sollen hiermit nicht kleingeredet werden.

Aber Volker war mehr, als nur ein Ausnahme-Kampfkünstler!

Er war ein Mann, der unverbrüchlich zu seinem Wort stand, egal wie unangenehm es sein konnte. Ein Mensch, der ein untrügliches Gefühl für Menschen hatte und genau wusste, wie er den Ehrgeiz seiner Schüler wecken konnte. Jemand, der nicht nur als Lehrer arbeitete, sondern Lehrer mit Leib und Seele war. Ein Mann, der manche Leute an die Figur des Gralsritters erinnerte. Ein Mann, der in der heutigen Welt in mancher Hinsicht auf die positivst mögliche Weise aus der Zeit gefallen schien mit seinen Idealen. Er liebte die Natur und hat sich niemals von modernem High-Tech den Kopf verdrehen lassen. Jemand, der bedingungslos für das kämpfte, an was er glaubte und niemals aufhörte, nach noch mehr und noch besseren Techniken zu suchen. Nicht, weil er sich damit hervortun wollte, sondern weil er gar nicht anders konnte, als nach Perfektion zu streben. Er schätzte Ehrlichkeit höher, als Harmonie, er besaß eine eiserne Disziplin und versuchte alles, was in seinen Kräften stand, um die Welt ein klein wenig besser zu machen, als er sie vorgefunden hatte.

Ich selbst kannte Volker im Verhältnis zu vielen anderen nicht besonders lange. Kennen gelernt habe ich ihn 2014. Wie bei so vielen anderen auch, war mein erster Kontakt zu ihm über ein Seminar. August 2014 auf der Burg Satzvey. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Nicht nur, weil das Seminar sehr viel Spaß gemacht hat. Sondern auch, weil Volker mich von Anfang an beeindruckt hat. Zum einen, weil die Fitness, die Volker mit damals schon über 60 Jahren besaß, beeindruckend war. Zum anderen aber auch, weil ich kaum jemals einen Menschen erlebt habe, der so sehr den Meister verkörperte, ohne das für sich als Titel in Anspruch zu nehmen. Volker begegnete seinen Schülern auf Augenhöhe. Er entsprach keinem Klischee, schon gar nicht dem, das uns Actionhelden weismachen wollen. Sein Auftreten war leise, ruhig und geduldig. Und genau das schätzte ich.

Dem ersten Seminar folgten zahlreiche weitere. Und jedes Mal habe ich viel gelernt, habe Spaß gehabt und war jedes Mal auch beeindruckt, wie viele unterschiedliche Menschen Volker mit diesen Seminaren zusammenbrachte.

Als er, neben dem Schwertkampf, begann, Kreis-Strahl-Kungfu wieder zu unterrichten, ein System, das er selbst entwickelt hatte und das den Vergleich mit den bekannteren Systemen nicht zu scheuen braucht, fand ich darin etwas, das einer weiteren Leidenschaft gerecht wurde. Ich habe sehr viel Begeisterung am Fechten nach der Deutschen Schule gefunden, aber ich komme ursprünglich aus der waffenlosen Kampfkunst und diese wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.

Und auch persönlich lernte ich Volker besser kennen. Die Gespräche bei den gemeinsamen Abendessen nach den Seminaren, die Tage auf Mittelaltermärkten, die ich an seinem Stand verbrachte, all das hat dazu beigetragen, dass Volker nach all der Zeit nicht nur ein geschätzter Lehrer, sondern auch ein geschätzter Freund wurde.

Natürlich gab es auch Reibereien, das bleibt nicht aus, wenn Menschen mit entsprechenden Charaktereigenschaften aufeinandertreffen. Aber das Besondere bei Volker war, man konnte sich mit ihm streiten, ja sich richtig über ihn geärgert haben, aber das ging nie wirklich tief. Man war sich nicht lange böse. Und auch er war niemals nachtragend, sondern klärte seinen Ärger meist direkt und hatte ihn danach auch wieder vergessen. Zumal ein Streit mit ihm niemals auf die persönliche Ebene rutschte. Es war immer ein Streit um einen bestimmten Gegenstand, niemals mehr.

Unsere Gespräche werden mir fehlen! Volker gehörte zu der seltenen Sorte Mensch, die wirklich auf alles eine Antwort hatten. Nicht, weil er sich hervortun wollte, das war nie seine Art! Aber weil er sich über nahezu alles schon einmal Gedanken gemacht hatte und nicht davor zurückschreckte, diese auszusprechen. Natürlich war das Thema des Gespräche oft auch die Kampfkunst. Aber es blieb nie nur bei „fachidiotischen“ Gesprächen. Volker verkörperte auch das Wissen, dass die Kampfkunst immer eine technische und eine persönliche Komponente hat. Und er war sich nie zu schade, beides zu fördern, wenn sich der Schüler darauf einließ. Außerdem hatte er einen großartigen Humor und nahm auch sich selbst niemals zu ernst.

Es würde den Rahmen sprengen, wollte ich hier darüber schreiben, was ich Volker alles verdanke. Es ist jedenfalls nicht zu viel gesagt, wenn ich sage, dass vieles von dem, was ich heute bin, auf Volkers Einfluss zurückgeht, entweder direkt, oder auch durch seinen Einfluss auf mir nahestehende Menschen.

Es heißt, dass ein Mensch niemals vollständig stirbt, so lange sich noch jemand an ihn erinnert. In diesem Falle kann ich nur sagen, dass Volker niemals vollständig sterben wird, so lange ich noch lebe, den vergessen werde ich ihn mit Sicherheit nicht!

Und so kann ich nur sagen, so schmerzlich mir sein Tod ist und so sehr ich mir wünsche, er hätte noch einige Jahre unter uns weilen dürfen, so unglaublich dankbar bin ich auch dafür, dass ich ihn zumindest diese 7 Jahre gekannt habe und für die vielen Erinnerungen, die mir an ihn bleiben werden. Und so unendlich dankbar bin ich für die „Familie“, die er zusammengeführt hat. Unterschiedliche Menschen, die sich ohne ihn vermutlich nie getroffen hätten, die aber über die gemeinsame Leidenschaft und durch Volkers weise Führung zu einer Familie zusammenwuchsen, die in mancher Hinsicht stabiler sein dürfte, als manche Blutsfamilien.

Volker, wo auch immer du jetzt sein magst: Danke für alles! Ich werde den Weg, den du mir aufgezeigt hast, weitergehen!

Mein Mitgefühl gilt all jenen, die sein Tod besonders schmerzlich berührt, allen voran seiner Lebensgefährtin Annette.

Wie viel „Griff ins Klo“ kann sich ein Autor leisten?

Auf Twitter stolperte ich heute über einige sehr deutliche Tweets zum Thema Jay Kristoff und Nevernight.

Vorneweg zwei Anmerkungen meinerseits: Ich habe das Buch nicht gelesen und es nach dem, was ich bisher erfahren habe, zur Schonung meiner Nerven auch nicht vor. Ich selbst bin absolut nicht religiös und meiner persönlichen Meinung nach wäre die Welt ohne Religionen besser dran. Dies nur, um die jetzt folgenden Worte in den entsprechenden Kontext zu setzen.

Also, wo fange ich an? Im Zweifelsfall einfach einmal bei mir selbst. Wenn ich Namen für meine Figuren aussuche, ist mir zunächst einmal die Bedeutung wichtig, weniger die Herkunft des Namens. Das zweite Kriterium ist für mich der Klang, rollen sich mir da die Fußnägel hoch, kann der Name eine noch so perfekte Bedeutung haben, er wird nicht in der jeweiligen Geschichte landen. Das dritte Kriterium ist die Passung zum jeweiligen Setting. Das heißt nicht, dass ich dabei immer nur in einem bestimmten Kulturkreis bleibe, was die Namen angeht, aber es muss zumindest klanglich irgendwie passen. In einem beispielsweise nordisch angehauchten Setting werde ich Namen verwenden, die dazu einigermaßen passen, auch wenn sie von ihrer tatsächlichen Herkunft vielleicht auch nicht ursprünglich nordisch sind.

Manchmal passen Namen und werden genommen und einige Zeit später realisiere ich, dass die Namen überhaupt nicht gehen. Beispielsweise hatte ich in einem Projekt einmal eine junge Frau, die Lydia Rosenbaum hieß. An sich nicht schlimm, möchte man sich jetzt denken. Problematisch wurde es aber, da ihr Charakter zugleich einige negative Stereotype beinhaltete, die man durchaus auch jüdischen Menschen zuschreibt oder zuschrieb. Mir hatten in diesem Falle zunächst nur beide Namen unabhängig voneinander vom Klang her gefallen. Dann aber fiel mir auf, dass ich das, was ich da schrieb, echt nicht so lassen konnte. Da ich den Charakter so brauchte und die Stereotype an sich nicht problematisch waren (zumindest denke ich das, es ist eine Geschichte, die aus anderen Gründen in der Versenkung verschwunden ist, nämlich schlicht, dass sie mir handwerklich nicht mehr gefällt) benannte ich den Charakter kurzerhand um, um die Stereotype zu vermeiden.

Jay Kristoff und seine Lektoren/Verleger/etc. schienen genau das nicht für nötig zu halten. Ein Blutmagier in seinem Werk heißt Adonai. Für diejenigen, die es nicht wissen, Adonai ist der Name, mit dem Menschen jüdischen Glaubens Gott direkt ansprechen, d.h. der Name ist ihnen heilig. Jetzt hätte ich persönlich zwar kein Problem mit der Namensverwendung an sich (mit den daran hängenden Stigmatisierungen sehr wohl, aber dazu komme ich noch), aber es muss einem als Autor doch klar sein, dass man damit Menschen, denen ihr Glaube wichtig ist, verletzt. Ich würde doch auch einem Anführer einer mordlüsternen Sekte keinen Namen eines Papstes oder eines wichtigen Imams geben! So wenig ich selbst von Religion halte, so sehr ist mir doch klar, dass es Menschen gibt, die eben sehr wohl etwas davon halten! Und welchen vernünftigen Grund gibt es, diesen Menschen mit Anlauf vor den Kopf zu stoßen?

Dass ein Blutmagier in diesem Zusammenhang doppelt problematisch ist, weil eben das Trinken oder rituelle Benutzen von Blut (insbesondere von christlichen Kindern) eines der Stigmata ist, mit denen man den die Gewalt gegenüber und den Mord an jüdischen Menschen rechtfertigte, macht die ganze Sache noch schlimmer.

Jetzt ist der Blutmagier aber auch noch ein Mensch mit Albinismus, der neben der Blutmagie, dem Bluttrinken und einem wohl inzestuösen Verhältnis zu seiner Schweser und damit haben wir jetzt Antisemitismus und Ableismus in einer Person verkörpert.

Nun bin ich ja generell eine Verfechterin des „in dubio pro reo“. Autoren sind gemeinhin Kinder ihrer Zeit und Kultur und ich weiß, dass ich bestimmt einigen Bullshit internalisiert habe, mit denen ich auch Leute vor den Kopf stoße. Aber genau weil ich das weiß, versuche ich zumindest, die mir zugänglichen Griffe ins Klo zu vermeiden. Mittlerweile weiß, glaube ich, jeder, der ein bisschen offen ist, warum man das N-Wort, den CCC-Slur oder solche antisemitischen Anspielungen bitte bleiben lassen sollte. Andere Dinge erfährt man tatsächlich nur, wenn man Kontakt mit Betroffenen hat (was nicht jeder hat, zumindest nicht bewusst) oder wenn man weiß, nach was man suchen sollte.

Bei den nicht so offensichtlichen Dingen würde ich sagen, dass hier Erklärungen (von denjenigen, die die Kraft und Nerven haben) mehr helfen würden, als Blockchains oder Verrisse. Bei dermaßen offenen Griffen ins Klo, wie es sich dieser Autor geleistet hat, muss man allerdings von Absicht ausgehen. Zumal einem in der heutigen Zeit auch mehr Infos zur Verfügung stehen.

Nun, um die Frage zu beantworten, die ich im Titel gestellt habe: Kommt darauf an, wobei. Bei „exotischen“ (ja mir ist bewusst, dass diese Wort gerade in dem Zusammenhang problematisch sein kann, aber mir fällt kein besseres Wort ein, das nicht negativ stigmatisiert) Themen wäre ich eher versöhnlich gestimmt, weil ich davon ausgehe, dass ich es mit einem wohlmeindenden aber unwissenden Menschen zu tun habe. Das wäre also ein Griff ins Klo, den sich ein Autor leisten können sollte,um zu lernen (Autor plus vermutlich viele Leser), wenn danach eine Änderung erfolgt. Bei Themen, die haber längst die breite Öffentlichkeit erreicht haben (sollten) lässt mein Wohlwollen dann schon sehr nach, weil man zumindest extrem ignorant sein muss, um das dann nicht mitzukriegen.

In diesem Zusammenhang, liebe Leser, ich bin keine Heilige, von daher haut es mit bitte um die Ohren, wenn ich ins Klo greife! Denn ich will ganz bestimmt niemandem dadurch wehtun, dass ich zu viel Bullshit gelernt habe. Nur, habt bitte insofern Nachsicht, dass ich eben auch ein fühlendes Wesen bin. Deutliche Worte bitte ja, persönliche Tiefschläge müssen nicht sein, von denen lerne ich nämlich nichts.

Und bitte versteht eine Nachfrage nicht als Abwehr. Wenn ich nachfrage, dann deshalb, weil ich es verstehen und besser machen möchte und das geht eben nur, wenn ich das Prinzip dessen, was ich gerade verkehrt gemacht habe, verstanden habe. Das muss dann auch ganz bestimmt kein komplettes Essay sein, ein Link oder ein Suchbegriff, mit dem ich selbst weiterkomme, genügt.

Warum ich so häufig ein Problem mit öffentlichen Schuldeingeständnissen habe…

… weil sie ein komfortables Versteck sind. Man hat sich ja entschuldigt, öffentlich darüber lamentiert, wie groß der Mist war, den man gebaut hat. Man hat also demonstriert, dass man ein guter Mensch ist. Was denn dann noch?

Vielleicht, etwas zu tun? Und zwar bevor man sich flächendeckend entschuldigt. Zumindest dann, wenn es sich um etwas handelt, woran man etwas ändern kann.

Habe ich nicht aufgepasst und bin mit jemandem zusammengestoßen, ist eine Entschuldigung die richtige Reaktion. Denn ich kann es auch in Zukunft nicht verhindern, dass ich jemanden übersehe oder schlicht weniger multitaskingfähig bin, als ich in der aktuellen Situation sein sollte.

Habe ich mich aber irgendwo falsch verhalten und kann daran in Zukunft etwas ändern, dann sollte ich in meinen Augen erst die Änderung einführen, dann sagen, dass ich das getan habe, weil ich Mist gebaut habe und dass es mir Leid tut, eben selbigen gebaut zu haben.

Warum ich darauf so herumreite? Nun, eine Entschuldigung erfüllt zwei Funktionen. Zum einen ist es natürlich ein Eingeständnis dessen, dass ich eine Schuld trage. Aber wie das Wort eben auch schon nahelegt, will ich die Schuld dadurch wieder loswerden. Und ich stelle damit in gewisser Weise einen Anspruch an mein Gegenüber. Ich erwarte implizit, dass mir verziehen wird. Und genau das sehe ich insbesondere dann kritisch, wenn es sich eben nicht um harmlose Dinge, die jedem Menschen passieren, handelt.

Wenn ich jemanden über den Haufen renne, passiert da im Regelfall nicht viel, außer dass sich jemand erschreckt und vielleicht ein wenig wehtut. Das hat diese Person aber sogar dann, wenn ich mich nicht entschuldige, in einigen Wochen vergessen, weil eben nicht wirklich etwas passiert ist.

Wenn ich beispielsweise Stereotype gegen eine diskriminierte Gruppe reproduziere, dann kann ich daran in Zukunft sehr wohl etwas ändern, indem ich zum Beispiel meine Sprache anpasse, oder eine Figur in meinen Romanen nicht so schreibe. Und dann kann ich, wenn ich mich mit dem, was ich da mache, auseinandergesetzt habe, auch sagen: „Okay, ich werde das in Zukunft immer so machen, weil ich in der Vergangenheit diesen und jenen Fehler gemacht habe, was mir unglaublich Leid tut.“ Dann und nur dann habe ich wirklich Konsequenzen aus meinem Handeln gezogen.

Leider ist genau das etwas, das in den Medien genau anders herum gehandhabt wird. Es wird sich, teils tränenreich, entschuldigt, Nabelschau bei Schuldeingeständnissen (Reality-Tv lässt grüßen) betrieben und ändern tut sich genau nichts.

Das ist der Grund, weshalb ich vielleicht nicht sofort mit einer Entschuldigung reagieren werde, wenn mich jemand auf ein Fehlverhalten hinweist. Ich mache mir dann Gedanken, versuche etwas zu ändern und entschuldige mich dann, wenn ich auch ehrlich gemeint sagen kann: „Das soll nicht mehr vorkommen.“

Einfach, weil mir an meiner Integrität liegt und ich mich nicht hinter „mea culpa, mea maxima culpa“ verstecken und dann nichts tun möchte.